Wienprogramm

Josef Weinheber, Wien wörtlich

Der Auflauf

‚Wås gibts denn då? Wås is denn gschegn?‘
— ‚Mir scheint, es setzt a Gaudi.‘ —
‚San zu vü‘ Leut, ma kann nix segn.‘
— ‚Geh, druck di fiari, trau di!‘

‚Aha, an Diab ham s‘ arretiert.‘
— ‚A Wolfshund håt wem bissn.‘ —
‚Sågn S‘, Herr, wås is denn då passiert‘
— ‚A Baumberl håt er gschmissn.‘

‚Bei sowås segn S‘ kan Wachmann net,
derwei kann ans verblüatn.‘
— ‚An Herzstich? Schrecklich!‘ — ‚D’Rettung steht
scho durt ums Eck, beim Wirten.!

‚Einsturzgefahr beim Würschtelstand!‘
— ‚Göl, der durt is der Mörder?‘ —
‚Des schiefe Gschau! Auf d‘ Pritschen gspannt
und urndlich trückert ghört er.‘

‚Na endlich a Inspekter, sixt?‘
— ‚Tun S‘ da kein Auflauf machen!‘ —
‚Er håt eahm scho. Jetzt, Freunderl, pickst.!
— ‚Sie, da is nix zum Lachen!

Sie gehen mit!- — ‚Då bin i gspannt.‘
— ‚Sie revoltiern die Gassen!‘ —
‚I håb do nur beim Würschtelstand
zehn Eß wohl wechseln låssen. .‘

Kalvarienberg

Ålt-Wiener Gigerlfutter,Dåtteln, Feign,
Papierschirm, Teddybärn und Kindergeign,
Wurschteln und Puppen, Blechuhrn, Gummibålln,
mit Voornam ausstaffierte Jausenschåln,
vü‘ Taschelziacher und ka Detektiv,
der ideale Druckknopf ‚Nur ein Griff‘,
Pistolen, Tomahawks und Federhaubn,
ein Durchanand und Wirbel, net zum glaubn,
Kruppzeug von Mandeln, dreihzehn, vierzehn Jåhr,
verwogne Kappelbuam mit pickte Håår,
Holzteller, Kollöffeln und Schåchtelwerch,
echt brandgemålt: ‚Gruß vom Kalvariberg‘,
Bamkraxler, Ratschen, Trummeln, Luftballaun,
a Schreihals: ‚Hier die letzteSensatiaun‘,
dazwischen Kinderg’wirkst und Kinderglück,
versoffene Trippler, gierig auf an Tschik,
blecherne Saxophon und Zeppelin,
kopfgroße Juxpaketln und nix drin,
kandierte Äpfeln, Zelteln, Kokosnüß,
Wurstzeug aus Marzipan, mit Fliagenschiss‘,
‚Das Wunder-Ei, zehn Groschen nur ein Stück‘,
und wieder Kinderg’raunz und Kinderglück,
der erste schöne, wårme Tåg im März,
dazua das guade, ålte Wienerherz,
wås in sein Leichtsinn, in sein Übermuat
auf sein Årt fÅsten und in sich gehn tuat,
von Åschermittwoch bis Kårsamståg nein —
So wårs, so is ’s, und so solls immer sein.

Es wäre nicht Wien

War net Wien, wann net durt,
wo ka Gfrett is, ans wurdt.
Denn dås Gfrett ohne Grund
gibt uns Kern, hålt‘ uns gsund. .

War net Wien, ging net gschwind
wieder amål der Wind,
daß der Staub wia net gscheit
umanandreißt die Leut.

War net Wien, wolltst zum Bier
und es stößert mit dir
net a B’soffener z’samm,
der a Feuer mächt ham.

War net Wien, wann net gråd
aufgråbn wurdt in der Ståd,
daß die Kübeln mit Teer
sperrn den Fremdenverkehr.

War net Wien, käm net glei
aner dasig vorbei,
der von d‘ Federn aufs Stroh
g’rutscht is, so oder so.

War net Wien, Pepi, wannst
raunzen mächst und net kannst:
Denn dås Gfrett ohne Grund
gibt uns Kern, hålt‘ uns gsund!

Waaßt? Net? Verstehst?
(Selbstgespräch eines Biertipplers)

Wann i, verstehst, wås z’reden hätt,
i schåffert ålles å.
Wås brauch ma denn des ålles, net?
Is eh gnua då.

Zum Beispü‘ die Gehälter, waaßt,
i streichert s‘ glått.
Net einz’segn, net, daß aner praßt
und aner går nix håt.

Und dann die Auto: Hårmlos gehst —
du bist do‘ Publikum —
då kummt a so a Gfraßt, verstehst,
und scheibt di um.

Die Fremden, waaßt, de schmeißert i
— a Schupfer, net? —
beim Tempel außi. Schert des mi,
wo so a Denkmål steht?

Die Pflåsterer, verstehst, de stiern
mirs heulig aa.
I låsserts ålle arretiern,
daß ’s nur a G’hörtsi war.

Die ewige Aufgråberei,
verstehst, des Röhrlwerch,
då leb i, waaßt, do liaber glei
am Bisamberg.

Und d‘ Wächter, net, i bin do g’wiß
a rare Söl,
åber de müaßten weg, sunst is
nie Schluß mit den Bahöl.

Wo unseraner do nix wül,
waaßt, åls sei Ruah.
Sogår die Tschecherln, in mein Schwül,
verstehst, i sperrerts zua.

Im Hause des Gerichts

Jetzt geh i ’s neunte Mål
då her aufs G’richt.
Weil der Herr Råt mein Fåll
net klår gnua sicht.

I håb mi nämlich — wårn
S‘ bein Mülitär? —
gspült mit an blechnan Schmårrn
von Stoppelg’wehr.

Dås Luaderzeug geht los,
der Stoppel knållt
und schreckt den Herrn von Groß
mit åller G’wålt.

Mir ham mitsammen an
Veranda: stier!
Aus Holz a Paravent
trennt eahm von mir.

Er wår beim Schwårzen gråd.
Då schiaßts! — Er låßt
dås Häferl hinfålln, håt
gschrian und erblåßt.

No jå, wer woaß denn jetzt?
Schaun S‘, kehr um d‘ Hand
is d‘ Weanaståd besetzt
und Kriag in Land.

Er is jå gråd net gsturbn
in ersten Schreck,
nur ’s Tischtuach wår verdurbn
und d‘ Schåln wår weg.

Natürlich håt er klågt.
Sein Hosn, d‘ Schåln,
und’s Tischtuach, håt er gsågt,
ålls muaß i zåhln.

Mein Advokat verspricht
mir, daß i g’winn.
So gehts hålt scho bein G’richt:
Heut her, murgn hin.

Wegn so an Stoppelg’wehr!
Is des net z’dumm?
Mi gfreut mein Leben net mehr.
I bring mi um.

Straßenvolk

I bin der g’flickte Schani,
i steh am schårfen Eck.
Dås Eck g’hört mir allani,
des nimmt ma kaner weg.

Und tuat a Wåchmaun kumma,
so palisier i hålt.
I gfreu mi scho am Summa,
då schlåf i draußt in Wåld.

Z‘ Mittåg der Gollaschg’stankn
kann mi net irritiern.
I geh so in Gedankn
Coloniakübeln stiern.

Steckt aner kane Maxen
ins Gschäft, dann håt er’s schwer.
Nur so mit bloße Haxen
in Schnee stehn, ziagt net mehr.

Der Pepi, der måchts nobel,
glei vis-a-vis von mir.
Der spü’t auf sein Fotzhobel
den Gardeoffizier.

A so aner is eisen,
der reine Burschoa.
Geht, wann er Schluß måcht, speisen
— då låcht ma — ins O.K.

Die Jazz von Jaunerheini,
die håts scho net so guat.
San eahna netto neune,
und aner geht mi’n Huat.

I huast auf d‘ Propaganda,
i bedl,wiar i kaun.
An aner solchern Banda
is meistens eh nix draun.

Die Konkurrenz is größer
åls unser Gschöft vertrågt.
Mir ham går an Professer,
der in Park Ziddern schlågt.

Gegn so an is a stierer
Hausierer Kavalier.
Mir san hålt Kriegsverlierer
und Friedensopfer, mir.

Der Hunger, d‘ Årmut, ’s Wana,
des san so unsre ‚Tricks‘.
Und manchmål meutert aner,
åber ’s passiert scho nix.

Mir hålten scho die Goschen.
Mir san jå mårb und stier.
‚I bitt schön, nur an Groschen,
gnä Frau, aufs Nachtquartier!‘

Der Ober an den Stift

Erdzeissel, raudigs übereinand,
håst wiederum kan Eßzeug putzt!
Tua nur so weiter! — Eine Schand,
daß bei dir går nix nutzt.

Du håst die Konsequenzen z’trågn.
Mi stiert dås schon, dås ewige Gwirkst.
I wers dem Herrn von Kargl sågn,
mein Liaber, nåcher fliagst.

Du solltest dankbår sein, verstehst,
daß d‘ dienen derfst in so an Haus.
Göl, ’s Trinkgeld nimmst, und Montåg gehst
jedsmal schön g’statzter aus.

Daß diese Jugend heut im Lebn
nicht für an Kreuzer Ehrgefühl hat!
Zu meiner Zeit, då hätts dås gebn!
— Ein Achterl noch, Herr Rat?

Saus hin! — Is recht, i maan dirs jå
nur guat. Im Handumdrahn bist frei,
und sixt as net, is ’s Ålter då
und die Gaudee vorbei.

Der mit der Sensn und der Uhr
klopft an und schmeißt dich in die Gruabn.
Und frågn d‘ Leut, haaßts: ‚Is heulig nur
a(n) ålter Kellner g’sturbn.‘

Musik zum Wienprogramm

WIENPROGRAMM

https://youtu.be/3_7fYTObkrw